Die verbotene Pforte by Nina Blazon

Die verbotene Pforte by Nina Blazon

Autor:Nina Blazon [Blazon, Nina]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 3473400866
Herausgeber: Ravensburger Buchverlag
veröffentlicht: 2012-12-31T23:00:00+00:00


DAS ATOLL DER HAIGÖTTER

Sie tauchten so schnell auf, dass Tobbs sich mit einem Schrei ins Boot zurückwarf. Ein dreieckiges Maul schoss aus dem Wasser. Scharfe, sägezackige Zähne blitzten im Sonnenlicht. Für einen Augenblick stand der riesige Hai in der Luft, ein gewaltiger glänzender Körper, bevor er wieder in Wasser zurückfiel und ein salziger Regen auf die Bootsinsassen niederprasselte. Die Haigötter! Schneeweiße, scharfe Flossen durchschnitten das Wasser, das Meer brodelte. Ein riesiger Fischleib rammte das Boot und es drehte sich um sich selbst wie ein Kreisel. Holz ächzte und brach, ein Hai verschwand mit einem der beiden Ausleger im Maul in der Tiefe. Tobbs kauerte sich auf den Boden. Gelähmt vor Angst spürte er, wie das Boot angehoben wurde und wieder auf das Wasser zurückklatschte. Was hatte sich Maui dabei gedacht? Wollte er sie alle umbringen? Wütend flitzten die gewaltigen Haie um das Boot herum, drängten sich gegenseitig zur Seite, schabten mit ihren rauen Rücken am Holz. Tobbs war ganz und gar Gänsehaut. Seine Wunde war vergessen, dafür kribbelte seine Haut in der Erwartung, gleich einen viel schlimmeren Schmerz zu erleiden – ein Haifischmaul, das ihn zermalmen würde. Hilfe suchend blickte er zu Maui, doch der Vermittler hielt sich am Mast fest und achtete gar nicht auf ihn. In einer fremden Sprache redete er auf die Raubtiere ein. Tatsächlich ließ sich zumindest ein Hai, der sich gerade anschickte, an Bord zu springen, wieder in das Meer zurückfallen, um sogleich in einem schnellen Zickzackkurs das Boot zu umrunden. Sie waren aufgeregt wie Hunde, die sich um ein Stück Fleisch balgten. Tobbs schalt sich für seine Dummheit. Jedes Kind wusste doch, dass man Raubtiere mit Blut anlockte! Was hatte sich Maui bloß gedacht?

Die Musiker begannen zu singen. Erst einer, dann immer mehr fielen in den Gesang ein. Ein lockender, leiser Rhythmus wie eine Ballade.

Ein Hai sprang über das Boot hinweg. Tobbs schrie auf, als der riesige Fischkörper seinen Schatten auf ihn warf. Ein gewaltiger Schwall Meerwasser folgte.

Der Gesang wurde lauter und lauter, nun hörte Tobbs auch Paddel ins Wasser tauchen. Vorsichtig wagte er einen Blick über den Bootsrand – und entdeckte, dass die Haie zwar immer noch das Boot umschwammen, sich aber offenbar nach und nach beruhigten. Kein einziger biss in ein Paddel.

»Maui!«, flüsterte Tobbs. »Was sollte das? Bist du wahnsinnig geworden?«

Der Vermittler zwinkerte ihm gelassen zu. »Nun, es gibt Situationen, da muss man sich erst einmal eine Verhandlungsposition schaffen. Ich habe die Haie dazu gebracht, uns zu bedrohen. Dadurch haben wir einen kleinen Vorsprung gewonnen, denn Fremde anzugreifen, widerspricht dem Gastrecht der Haigötter. Sie sind uns jetzt sozusagen etwas schuldig und werden vielleicht etwas freundlicher sein.«

Tobbs staunte. Auf diese Idee wäre er nie gekommen.

»Außerdem«, raunte Maui ihm zu, »sind deine Wunden nun durch das Atollwasser geschlossen.« Das stimmte. Das Wasser musste tatsächlich eine heilende Wirkung haben, denn die Zeichnung war nicht mehr rot, sondern sah aus, als hätte sie einige Tage Zeit gehabt zu heilen.

Die weißen Haie drängten sich immer noch an das Boot. Und da sich Tobbs nun etwas entspannter fühlte, konnte er sogar zugeben, dass es trotz allem schöne Tiere waren.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.